03. November 2023

Europäische Kommission ignoriert skandalöse Pferdefleischimporte

EU-Kontrollen in südamerikanischen Schlachtbetrieben
Europäische Kommission ignoriert skandalöse Pferdefleischimporte
Animal Welfare Foundation (AWF) und Tierschutzbund Zürich (TSB) fordern sofortigen Importstopp

Freiburg, Zürich, 2.11.2023. Aktuelle Audits der Europäischen Kommission berichten über massive Verstöße in der Pferdefleischproduktion für den EU-Markt und die Schweiz. Die im Zeitraum Oktober und November 2022 durchgeführten Kontrollen in argentinischen und uruguayischen Schlachthöfen haben gravierende Fehler hinsichtlich Lebensmittelsicherheit festgestellt. Besonders bemängelt wird, dass es keine gesicherte Rückverfolgbarkeit der Pferde gibt. Der Bericht hebt hervor, dass die Herkunft der Pferde und die Medikamentenhistorie auf sogenannten Eidesstaatlichen Erklärungen der Händler beruhen, die die Schlachthöfe mit Pferden beliefern. „Wir informieren die Europäische Kommission regelmäßig über die Zustände vor Ort, hören aber seit 10 Jahren lediglich, man wolle gemeinsam mit den Behörden vor Ort Verbesserungen erreichen. Die neuen Audits zeigen, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen die Probleme nicht gelöst haben. Die Kommission muss handeln und den Import von Pferdefleisch aus Südamerika in die EU stoppen“, fordert Sabrina Gurtner, AWF|TSB-Projektleiterin.

Noch immer kommen 15.000 Tonnen Pferdefleisch aus Argentinien und Uruguay in die EU. Die Kontrollen auf Medikamentenrückstände sind ungenügend. Gerade mal 9 (Uruguay) bzw. 28 (Argentinien) Stichproben waren es im Jahr 2021. Auch die AWF und der TSB kritisieren seit Jahren die fehlende Rückverfolgbarkeit der Pferde und haben hierzu seit 2012 mehrere Dossiers vorgelegt.

So gelangen gestohlene Pferde, geschmuggelte Pferde aus Seuchengebieten in Brasilien und ausrangierte Sportpferde in die Schlachthöfe. Verlässliche Dokumente über Medikamentengabe und die Herkunft der Pferde gibt es nicht. Die Händler, die Pferde an die Schlachthöfe liefern, übergeben mit den Pferden selbstausgefüllte Dokumente. Meist besitzen diese Händler die Pferde nur wenige Tage und häufig fehlen die Dokumente der Vorbesitzer. „Die eidesstattlichen Erklärungen über die Behandlung mit Tierarzneimitteln fehlen oft in der Kette, so dass solche Erklärungen zum Zeitpunkt der Schlachtung unzuverlässig sind“, schreiben die EU-Kontrolleure.

Fragwürdig ist zudem, dass die Pferde erst kurz vor der Anlieferung im Schlachthof Brandzeichen und Ohrmarken erhalten. Damit wird jedoch nicht die Herkunft und Medikamentenhistorie erfasst. „Das Rückverfolgbarkeitssystem für lebende Pferde (Gruppenkennzeichnung durch Brandzeichen, gefolgt von Ohrmarken, die eine individuelle Identifizierung nur für einige Tage vor der Schlachtung gewährleisten) bietet nicht die erforderlichen Garantien in Bezug auf die Anforderungen an die Herkunftund die damit verbundenen Erklärungen über die tierärztliche Behandlung …“, bemängelt der EU-Bericht. Und weiter: „Das bestehende System zur Identifizierung von Pferden (...) kann die erforderlichen Garantien für die damit verbundenen tierärztlichen Behandlungen nicht bieten.“

Die Auditoren berichten für Argentinien und Uruguay über in Pferde-Sammelstellen vorgefundene Präparate, die Schlachtpferden nicht verabreicht werden dürfen oder einer Wartezeit unterliegen, bevor die betroffenen Tiere geschlachtet werden können. „In einigen der besuchten Betriebe verfügten die Besitzer über ein Arzneimittel "curabichera" (…). Das Medikament darf nicht in Fleisch für den menschlichen Verzehr gelangen. (…) Weder der Eigentümer der Tiere noch die für die Kontrollen in diesem Betrieb zuständige Behörde hatten dies bemerkt“, hält der EU-Bericht fest.

Gefunden wurden auch Hormonpräparate der Kategorie Testosteron-Cyclopropionat-Ester. Diese sind in der EU für nahrungsmittelliefernde Tiere verboten. „In Ermangelung eines geeigneten Trennungssystems für so behandelte Equiden ("Split-System") dürfen die Mitgliedstaaten solches Fleisch nicht legal einführen“, verweisen die Auditoren auf die EU-Richtlinie 96/22/EC.

Die EU-Auditoren weisen darauf hin, dass eine „beträchtliche Anzahl von Pferden unbekannter Herkunft in einem Betrieb gefunden wurde, der Pferde für die Schlachtung in der EU liefert.“ Und weiter heißt es im Bericht: „In Verbindung mit Medienberichten über polizeiliche Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Schmuggel von Pferden aus Brasilien gibt dies Anlass zu weiteren Bedenken hinsichtlich der Robustheit des Systems zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit.“

Laut der uruguayischen Veterinäraufsicht soll es seit 2016 keine Fälle von Pferde-schmuggel aus Brasilien mehr gegeben haben. Dem widersprechen die Auditoren und zitieren einen Medienbericht vom 10. Dezember 2020: „Dem Bericht zufolge hatte ein DSA-Beamter festgestellt, dass in einer Lieferung von 35 Pferden, (…), zehn Pferde neu gebrannt worden waren, um die Tatsache zu verschleiern, dass sie aus Brasilien geschmuggelt worden waren.“ Die Untersuchung des Falls durch die DNSR (ländliche Polizei) kam im September 2021 zu dem Schluss: „(…), dass fünf Personen schätzungsweise 1500 bis 2000 Pferde aus Brasilien zur Schlachtung nach Uruguay geschmuggelt hatten.“

„Die EU-Auditoren werden von den Schlachthändlern und Schlachthofbetreibern systematisch betrogen“, so Sabrina Gurtner, AWF|TSB-Projektleiterin. Die AWF und der TSB filmten schwer kranke und verletzte Pferde sowie Tierquälereien vor und nach dem EU-Audit in Uruguay. Während des Audits zeigen die Aufnahmen der NGOs wenige gesunde Pferde und folgerichtig weniger Tierschutzprobleme. Diesen Umstand bemängeln auch die EU-Auditoren in ihrem Bericht. Das sei nicht der Normalzustand.

Zu den europäischen Hauptimporteuren von Pferdefleisch aus Südamerika gehören die belgischen Firmen Equinox und Chevideco sowie die französische Firma SNVC. „Wir kritisieren den Import von Pferdefleisch aus Qualproduktion. Die aktuellen Auditberichte der Europäischen Kommission bestätigen unsere Kritik auch hinsichtlich fehlendem Witterungsschutzes, ungeeigneter Fütterung und krimineller Machenschaften der Händler“, fasst Sabrina Gurtner zusammen. Derzeit versucht derbelgische Fleischfachverband FEBEV die Veröffentlichungen der AWF und des TSB gerichtlich zu verhindern und die Kritik am Lügengebäude Pferdefleischproduktion in Südamerika zu stoppen. Mit einer Einstweiligen Verfügung gegen die NGO-Veröffentlichungen ist FEBEV kürzlich gescheitert (Kurzfilm zu Pferdefleisch aus Qualproduktion).

Die AWF und der TSB fordern die Europäische Kommission auf, den Import von Pferdefleisch aus Südamerika umgehend zu stoppen, aus Verbraucherschutzgründen und im Interesse der gequälten Pferde.

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